Der Schöftler Lehrer Richard Suter erzählt, was sich in 35 Unterrichtsjahren verändert hat
Von Flurina Dünki (Text und Foto)
Gleich rechts neben dem Eingang steht der Töggelikasten und hinten an der Wand hängt die Fahne von Inter Mailand. Nein, dies ist kein Fussball-Fanlokal, sondern das Klassenzimmer von Richard Suter in Schöftland. Eine Klasse der 3.Real unterrichtete er im zu Ende gehenden Schuljahr. «Beim Töggelen können die Schüler in der Pause ihre aufgestaute Energie verbrauchen», sagt der 56-Jährige. Suter weiss, wie Jugendliche ticken. 35 Lehrerjahre hat er hinter sich – alle verbrachte er an der Schule Schöftland. Dafür wurde er vor kurzem an der Schulschlussfeier geehrt.
Der Fussball sei mitverantwortlich für seinen guten Umgang mit Schülern. «Meine beruflichen Präferenzen als Jugendlicher waren Koch, Jurist oder Lehrer. Und als Juniorentrainer erkannte ich, dass ich relativ einfach einen Draht zu Kindern und Jugendlichen finde.»
Lehrer und Schulleiter
Pflegt ein fussballgeprägter Lehrer einen kumpelhaften Umgang mit seinen Schülern? «Nein, ich hatte von Anfang an eine strenge Linie», sagt Suter. Natürlich lasse er sich auf Scherze über Inter Mailand ein – «aber alles im respektvollen Rahmen».
Lehrer ist Suter jedoch nur die Hälfte der Woche. Seit 10 Jahren ist er auch Leiter der Schule Holziken. «Dort kommen vor allem Eltern und Lehrpersonen mit ihren Anliegen zu mir. Die Arbeit mit Erwachsenen ist ein guter Ausgleich zur Lehrertätigkeit.»
Als «fremder Fötzel» aus Däniken SO trat Suter 1983 an der Primarschule Schöftland seine erste Lehrerstelle an. Knapp über 20 war er damals und hatte gerade erst das Lehrerdiplom gemacht. Däniken und Schöftland lagen damals in den Köpfen der Leute noch weiter auseinander als heute, ein Lokalbezug war gefragt. Dank des Fussballs konnte Suter punkten. Der junge Absolvent spielte davor als Junior in Aarau und kannte von seinen Spielen auch den Schöftler Rasen. «Damit hatte ich bei der Bewerbung gute Karten.»
Nach erfolgreicher Bewerbung galt es, Alteingesessene von seinen Qualitäten zu überzeugen. Vor allem zwischen langgedienten Lehrerkalibern und dem Nachwuchs habe es damals Gräben gegeben. «Gewisse Stühle im Lehrerzimmer waren für die Etablierten reserviert, nur wusste ich das am Anfang natürlich nicht.» Des Öfteren fing er in dieser Zeit strenge Blicke ein, wenn er sich in der Pause auf den falschen Stuhl setzte. Manche der älteren Semester hätten noch einen grauen oder braunen Lehrerkittel getragen, ein krasser Gegensatz zur Hemd- und Jeansmode von Suters Generation, die sich nach und nach durchsetzte.
Diesem Stil ist Suter treu geblieben: kariertes Hemd, Jeans, Turnschuhe. Nur die dunkelblonden Strähnen, die ihm auf frühen Klassenfotos noch tief in die Stirn fallen, sind einer Haarpracht aus grauen Schattierungen gewichen.
Mit einem Bein in Holziken
Nach über 20 Jahren als Primarlehrer drängte sich 2008 ein Wechsel auf: «Ich wollte auch wieder mit Erwachsenen arbeiten.» Als Militäroffizier tat er dies bereits und merkte, dass ihm der berufliche Kontakt mit Erwachsenen fehlte. Dass Holziken zu dieser Zeit einen Schulleiter suchte, kam wie gerufen. Das 45-Prozent-Pensum liess sich aber nicht mit seiner Lehrerstelle vereinbaren. Er hatte sich geistig bereits von der Schule Schöftland verabschiedet, doch so einfach liess ihn diese nicht ziehen. Der Zufall wollte es, dass just zu dieser Zeit ein Schöftler Reallehrer nach Australien aufbrach. Sein Pensum wurde aufgeteilt, eines der Teilpensen war ideal für Suter.
Seither ist er in Schöftland Reallehrer – und gehört inzwischen selber zu den Altgedienten. «Von diesem Schüler hatte ich mittlerweile bereits den Sohn in der Klasse», sagt er, als er eine Klassenliste seiner Anfangszeit durchgeht. Die Erwartungen an die Lehrer hätten sich seither verändert. «Heute müssen die Lehrpersonen teilweise Elternpflichten übernehmen.» Auch sei der Respekt der Eltern dem Lehrer gegenüber gesunken.
Herausforderung soziale Medien
Wie geht er mit diesem Wandel um? «Mit Gelassenheit, das habe ich mir in den 35 Jahren angeeignet.» Neuen Situationen müsse man sich anpassen. Das gelte auch für die neuen Medien, bei denen er sich auskennen muss, um die Schüler auf Gefahren hinzuweisen. «Hänseleien gab es schon immer, aber heute ist ein gemeines Gerücht via Whatsapp innert Sekunden im ganzen Kollegenkreis verbreitet.»
Nicht alle Schüler befolgen die weisen Ratschläge des Lehrers – etwas, das sich über die Jahre nicht verändert hat. «Wenn ich sehe, dass sie dann doch ihre Handynummer auf Instagram teilen, darf ich mich nicht erzürnen. Gewisse Sachen lernen sie erst, wenn sie sie am eigenen Leib erfahren.»