Flurina Dünki (Text) und Sandra Adrizzone (Fotos)
In diesen Tagen strahlt das Schloss Rued von seiner Anhöhe auf Schlossrued herab. Kein Wunder: Seine acht Jahre dauernde Schönheitskur ist vollbracht. Keine Gerüste umhüllen es mehr, Kein Plastik schützt mehr die kunstvollen Kachelöfen und die Scharen von Handwerkern, die im Schloss hämmerten, bohrten und malten, sind abgezogen. Am Samstag wird es mit einem riesigen Fest für die Bevölkerung wiedereröffnet.
In aufwendiger Renovierungsarbeit wurde das Gebäude zum Seminar- und Kongresszentrum umgestaltet. Die Räume des Herrschaftshauses, das einst Wohnsitz der Familiendynastie May von Rued und später Sommerresidenz der Pharma-Adel-Familie Preiswerk war, dienen ab jetzt der Öffentlichkeit. Statt des Echos eines Schlossherrn-Stocks wird das Stimmgewirr von Konferenzbesuchern durch das Haus hallen, statt auserwählten Aristokraten werden Hochzeitsgäste im Saal tafeln. Geheiratet werden kann zuvor auch gleich im Schloss – es ist seit Kurzem in der Auswahl der Standorte des Regionalen Zivilstandsamts Schöftland.
Könnte man den Schlossgeist befragen, er würde Bände erzählen über seine Beobachtungen im Schloss Rued. Etwa über den desaströsen Zustand der Räume, wie sie von Herbert A. Strittmatter, Eigentümer von 1989 bis 2006, hinterlassen worden waren. Das Ausmass der von ihm angerichteten Verwüstung kam erst nach der Zwangsversteigerung zum Vorschein.
Die Erowa AG, die Reinacher Firma des Ersteigerers Hans Hediger, entwickelt Werkzeuge und Fertigungstechnologien. Ein gutes Omen für das damals heruntergekommene Gebäude – und ans Werk, das machte sich die Erowa gründlich. Erst durch Evaluierung, welcher Zweck SchlossRued in Zukunft zukommen soll, dann mit der Gesamtrenovierung.
«Dr. Preiswerk war sehr distanziert», sagt Würgler über den Schlossherrn, der das Schloss mit seiner Frau und den drei Kindern als Sommerresidenz nutzte. Sei von den Kindern öfter mal eines ins Dorf runtergekommen, habe sich der Vater nicht volksnah gegeben. Am Schloss, das Ende des 18.Jahrhunderts nach einem Brand komplett neu aufgebaut wurde, hätten die Preiswerks praktisch keine Renovierungsarbeiten vorgenommen.
Anders deren Pächterfamilie Niklaus, die das Knappenhaus und die Hochstudscheune neben dem Schloss bewohnte. Sie betrieb Land-, Vieh- und Milchwirtschaft auf der riesigen, 18 Hektaren umfassenden Landwirtschaftsfläche um das Schloss. «Dank eines tiefen Pachtzinses konnten sie einige Arbeiten an ihren Wohnhäusern vornehmen», so Würgler.
An den Nachfolger der Preiswerks erinnert sich der pensionierte Gemeindeschreiber nur ungern. 1989 kaufte Herbert A. Strittmatter das Schloss. Ein Unternehmer mit vielen Mandaten – viele dieser Firmen gingen jedoch während seiner Zeit als Schlossbesitzer Konkurs. «Die Gemeinde hätte das Schloss selbst gerne erworben», sagt Würgler, «wir sind eng mit dem Schlossverbunden und wollten es der Spekulation entziehen.» Trotz Kontaktaufnahme mit dem Kanton scheiterte der Kauf durch die Gemeinde an den Kosten, denn zum Kaufpreis wären horrende Renovationskosten hinzugekommen. Und dann sei er aufgetaucht: Strittmatter.
«Er hat auf verantwortungslose Art gewütet», fasst Würgler die Ära Strittmatter zusammen. Zwar startete er ein Sanierungsprojekt, stellte dafür aber keine Fachleute an, sondern habe billige Arbeiter aus Osteuropa einfliegen lassen. Bei der Ansicht des Resultats hätte sich Schlossherr Carl Friedrich Rudolf May von Rued wohl im Grabe umgedreht: Nicht nur verstanden die Arbeiter nichts von ihrem Handwerk, auch liess Strittmatter viele wertvolle Kunstschätze wie Original-Türen oder antike Öfen herausreissen und verkaufen. Ein Zeichen dafür, dass es mit seinen Firmen abwärts ging.
Würgler erinnert sich, dass sich Hans Hediger gleich nach der Ersteigerung auf die Suche nach den verkauften Objekten machte. «Er hatte Glück, konnte einige Käufer ausfindig machen und gewisse Stücke zurückkaufen.» Wozu nutzte Strittmatter überhaupt das Schloss? Würgler runzelt die Stirn und zitiert, wie Strittmatter die Nutzung umschrieb: «Ich funktioniere das Schloss um, denn das Unternehmen hat adäquate Business-Kundschaft, die adäquat beherbergt werden muss.»
Irgendwann, so Würgler, sei nichts mehr gelaufen. Strittmatter liess es zur Zwangsversteigerung kommen. Dies jedoch erst, nachdem er eine Ausparzellierung vorgenommen hatte, die Schloss, Knappenhaus und Waschhaus beinhaltete. Den grossen Rest des Grundstücks mit Scheune, Bauernhaus und Landwirtschaftsland verschenkte Strittmatter an seine Partnerin Barbara Mühlebach, der es noch heute gehört und die es durch Schlossrueder Bauern bewirtschaften lässt. Selbst einer der der Zugangswege zum Schloss, gehört nicht zur Schloss-Parzelle.
Nach dem Versteigerungszuschlag an die Erowa verzogen sich die Wolken über dem Schloss. Der Tag des Kaufs sei ein Glückstag gewesen, sagt Würgler. Die Firma kaufte später auch das Restaurant Storchen und das Tanzhüsli und machte sich 2010 an die Renovierung des Schlosses. Zwar liessen gemäss einer Umfrage der AZ 2013 Bauverzögerungen bei der Bevölkerung zwischenzeitlich gewisse Befürchtungen und böse Erinnerungen an den Vorbesitzer aufkommen.
Doch der neue Schlossherr sollte Wort halten: Die Arbeiten wurden wieder aufgenommen und in enger Zusammenarbeit mit der Aargauer Denkmalpflege vollendet. Grosszügig hat sich diese bei der Zustimmung des Lifts gezeigt, der gehbehinderte Besucher in die oberen Stöcke führt. Ein wichtiges Element für die Wandlung vom Herrschaftsschloss zum Volksschloss.
«Kommen Sie – staunen Sie – feiern Sie mit uns»: Schlossbesitzer Hans Hediger und dessen Firma Erowa AG laden die Bevölkerung am Samstag zu einem Wiedereröffnungsfest ein, wie es für ein richtiges Schloss gebührlich ist.
Zur offiziellen Eröffnung von «Seminare und Events Schloss Rued» dürfen die Besucher von 11 bis 17 Uhr zum ersten Mal das Ergebnis der langjährigen Sanierung betrachten: die neu gestalteten Räume, die Terrasse, wo ein Brunnen das einstige Schwimmbad ersetzt hat, und den ausgebauten Keller, von wo ein Lift neu in die oberen Stockwerke führt.
Dazu bereiten Lernende des 2. Lehrjahrs des aargauischen Floristenvereins eine Blumenshow im Schloss vor, sorgen die Schlossrueder Landfrauen für Markttreiben und bieten in ihrer Kaffeestube süsse Leckereien an. Gegen den grösseren Hunger erhalten die Besucher eine «Schlosswurst Spezial» und ein Getränk. Im Festzelt nebenan wird musikalisch unterhalten.
Zum riesigen Schlossfest werden bis 2000Besucher erwartet. Dafür wird die Schlossstrasse ab dem Gasthaus Storchen zwischen 11 und 17 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrt. Weiter herrscht zwischen 9 und 19 Uhr für die Strecke von Unterkulm nach Schlossrued Fahrverbot.