Es ist ein seltener Anblick, der sich dieser Tage im Gemeinderatszimmer Uerkheim bietet: Auf drei Tischreihen ausgebreitet stapeln sich Akten des Gemeindearchivs. Gebundene Sammlungen alter Gemeindeversammlungsprotokolle liegen neben Schulchroniken, Grundbüchern und Familiengeschichten. Sie alle kamen nach der Hochwasserflut, die am 8. Juli auch in den Archivkeller der Gemeinde eindrang, mit Wasser in Berührung und sind nun im ersten Stock zum Trocknen aufgelegt. Die Wasser verdunstenden Papierbündel – die ältesten datieren bis ins Kantons-Geburtsjahr 1803 zurück – verleihen dem Gemeinderatszimmer ein feuchwarmes Klima.

Wettlauf gegen die Zeit

Nicht von ungefähr wird der Standort des Gemeindehauses als stark hochwassergefährdet eingestuft. Im rechten Winkel und mit voller Wucht traf die Uerkeflut auf die Hauswand. Das Kellerfenster des Gemeindehauses hielt den aufprallenden Wassermassen zwar Stand. Über die Kanalisationsanschlüsse der Entfeuchter fand das Wasser dennoch seinen Weg in den Archivkeller. «Als ich in Uerkheim ankam, stand der Keller 40 Zentimeter unter Wasser», sagt Marcel Giger von der Fachberatung kommunale Archive des Staatsarchivs Aargau. Darin schwammen wertvolle Unikate, wie etwa die Grundbücher von 1803 bis 1911, für die noch keine beim Kanton gelagerten Exemplare existieren. Komplett zerstört wurde zum Glück keiner der papierenen Zeitzeugen.

Die Zeit sei beim Eindringen von Wasser der wichtigste Faktor, so Giger. Jeder Tag, den man zuwarte, vergrössere die Schadenskosten. Dennoch dürften Dokumente, die mit Wasser getränkt seien, auf keinen Fall sofort rausgefischt werden: «Bei nassem Papier breitet sich innert 24 Stunden Schimmel aus, der es zerstören kann.» 

Die Lösung: tiefgefrieren. Denn im gefrorenen Zustand werden die degenerativen Prozesse wie Verkleben des Papiers, Zerlaufen der Tinte und Auflösen des Materials gestoppt. Mithilfe der Berner Firma docusafe werden die am schlimmsten durchnässten Akten erst in einem Kühllager in Härkingen zwischengelagert, bevor sie bei docusafe den Prozess der Vakuumgefriertrocknung durchmachen. Dadurch gelangt das Dokument vom gefrorenen direkt in den trockenen Zustand. Der Kostenvoranschlag für die Rettung von Uerkheims Akten lautet auf 11 000 Franken. Sollte es Exemplare geben, die in komplizierter Handarbeit aufbereitet werden sollten, könnte sich der Betrag jedoch noch erhöhen.

Viel Lob gebührt laut Giger Gemeindeschreiber Hans Stadler: «Uerkheim hat seine Hausaufgaben gemacht.» So hätten etwa auf den untersten Tablaren keine Akten gelagert und wurde das Archivfenster unlängst verstärkt. Ausserdem hätte Stadler praktisch keine «unnötigen» Akten gelagert, etwa solche, die ihre gesetzliche Aufbewahrungszeit überschritten hatten. «Dies verkürzt das Aussonderungsprozedere, denn es will gut überlegt werden, für welche Akten eine kostspielige Aufbereitung bezahlt werden soll», so Giger. Schon deshalb appelliert der Experte, Präventionsmassnahmen zu ergreifen, bezüglich denen seine Stelle die Gemeinden beraten kann.

«Der Grossteil der Archivdokumente sind Unikate. Würden sie zerstört, so wäre Uerkheim ohne nachweisbare Vergangenheit», sagt Giger. Obwohl die Digitalisierung heute neue Sicherungsmöglichkeit bietet, sieht der Experte auch diesbezüglich Schwachstellen. So wisse man etwa nicht, wie viele Jahre ein PDF-Dokument noch lesbar sei. Der Auftrag zur Umwandlung in ein neues Format würde die Gemeinden ebenfalls Geld kosten. Eine Investition in ein sicheres Archiv sei da vielleicht die bessere Variante.