Es kommt nicht oft vor, dass ein Spycher auf die andere Seite des Tals zieht. Noch dazu, wenn seine Balken über 200 Jahre alt sind. Bis vor wenigen Tagen stand das dreistöckige Gebäude, das gemäss Denkmalpflege als «Stöcklispycher mit Ofenhaus und Wagenschopf» erbaut worden war, an der Reitnauer Bergstrasse. Inzwischen liegt es – noch in Einzelteile zerlegt – auf seinem neuen Terrain: dem Grundstück von Béatrice Meili und Rolf Baumann in Kirchleerau. Sie sind selbst Bewohner eines Bauernhauses aus dem 19. Jahrhundert, neben jenem nun das Stöckli aus derselben Epoche zu stehen kommt. Dies, wenn das Baugesuch gutgeheissen wird, das momentan aufliegt.

Vor dem Abbruch gerettet

«Als wir erfuhren, dass der Spycher in Reitnau abgebrochen werden soll, dachten wir, der passt genau zu unserm Haus», sagt Béatrice Meili. Als Liebhaber alter Bauernhäuser sei ihnen das Gebäude bekannt gewesen und sie hätten beim Vorbeifahren beobachtet, wie es immer mehr zerfalle. Im ersten Moment hätten sie und Partner Rolf Baumann den Spycher einfach vor dem Abbruch retten wollen. «Wir wussten damals noch nicht, wofür wir ihn verwenden wollten», so Meili. Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden Kirchleerber ein altes Original vor dem Zerfall retten.

Der Spycher aus Reitnau, der in Kirchleerau neu aufgebaut wird.

Der Spycher aus Reitnau, der in Kirchleerau neu aufgebaut wird.

© zvg

 

2013 gründete Meili, die auch Gemeinderätin ist, mit Rolf Baumann und Freunden einen Verein, damit der Dorfladen im Ort nicht geschlossen werden musste. Rolf Baumann wirkt als Präsident des Verschönerungsvereins Kirchleerau, der durch Instandhalten von Aussichtsbänken oder Brunnen zum schönen Dorfbild beiträgt. «Uns gefällt es, alte Sachen zu schützen und zu erhalten», sagt Meili. Aus diesem Interesse heraus seien sie beide zu ihren Ämtli gekommen, in Meilis Fall etwa das der Präsidentin des Vereins Heimatkunde Suhrental. Von der Denkmalpflege erfuhr das Paar, dass der abbruchgefährdete Bau einer der letzten Wohnspycher ist, der aus der damaligen Zeit noch erhalten ist.

Stube und zwei Kammern

Am Spycher ist die Jahreszahl 1825 angebracht. Es wird jedoch vermutet, dass dies ein Datum einer Renovation ist und das Baujahr noch weiter zurückliegt. Die pensionierten Bauersleute, die ihn bewohnten, kochten im Erdgeschoss und gelangten mittels Stiege zu einer Stube und zwei kleinen Kammern. So ist es im Inventar der Denkmalpflege zu lesen. Lange war das ehemalige Stöckli denkmalgeschützt. Vor ein paar Jahren wurde der Schutz aufgehoben, für den vom Zerfall bedrohten Bau das sichere Todesurteil.

Der 50’000 Franken teure Wiederaufbau soll möglichst originalgetreu erfolgen, nur morsche Balken werden ersetzt. «Wir wollen den Spycher so aufbauen, damit man seinen ursprünglichen Sinn als Stöckli erkennt und er gleichzeitig für unsere Zeit ästhetisch wirkt», sagt Meili. Auch für einen Zweck haben sich die neuen Besitzer inzwischen entschieden. Er soll in Zukunft als zusätzliche Kulisse und Schlechtwetter-Unterstand dienen, wenn Béatrice Meili geschlossene Gesellschaften mit Landfrauenküche bewirtet. «Bisher mussten wir schlechtes Wetter immer fürchten. Mit dem Spycher haben wir nun den idealen Schärmen.»